Blog von Äbtissin Christiana Reemts

Auf Todesanzeigen lese ich den Wunsch "ruhe sanft" oder "wir wünschen dir, dass du endlich ausruhen darfst" oder es ist die Rede von „ewiger Ruhe“. All das erweckt die Vorstellung von Schlaf, Stillstand und fehlendem Leben. Wen könnte das reizen? Doch ewiges Leben wird unvorstellbar lebendig sein, so lebendig, dass alles, was wir jetzt kennen, uns dagegen wie tot vorkommen wird.
 
Letzte Woche las ich von Navid Kermani „Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen“. Ein sehr schönes Buch, in dem man viel lernt - über den Islam, über das Christentum, über Religion überhaupt. Vor allem aber lernt man, seine eigenen Vorurteile abzulegen, einfach zuzuhören und über die Weite und Großzügigkeit eines anderen Menschen dankbar zu staunen.
 
Das lebenslange Lesen in der Heiligen Schrift, das, was wir Benediktiner „Lectio divina“ nennen, hat einen einzigen Zweck: Zu lernen, die Stimme Christi von anderen Stimmen zu unterscheiden und ihr allein zu folgen (vgl. Joh 10,1-10).
 
Ein großer Schritt in Richtung Freiheit wäre es, die eigenen Gefühle – und auch die eigenen Gedanken – von denen der anderen zu lösen: Liebst du mich, dann liebe ich dich auch, bist du unfreundlich, bin ich es auch. Hören, wirklich hören, was ein anderer sagt, ist ein großer Wert. Auf das Gehörte zu antworten ebenfalls. Aber diese Antwort muss mehr sein als eine Wiederholung dessen, was mir entgegen kam. Jesus macht es uns vor, er antwortet auf Hass mit Liebe.
 
Mit einem Versprechen stelle ich nicht nur mein eigenes Leben auf eine feste Grundlage, sondern auch das der anderen: Du kannst dich bis zum Tod auf mich verlassen, sage ich in der Feier der Trauung, du kannst mir trauen. Wenn man sich auf dieses Versprechen verlässt, bricht auch das eigene Leben zusammen, wenn der Partner geht.
In der Profess kann ich mich herausreden, dass der eigentliche Partner Christus ist, dem ich auch nach meinem Weggang die Treue halte. Das kann wahr sein. Aber auch hier bleibt bestehen, dass eine Gemeinschaft nur Bestand haben kann wenn man einander vertraut, d.h. wenn man davon ausgeht, dass man sich bleibend aufeinander verlassen kann.