Blog von Schwester Christiana
„Der Himmel ist das Bleiben in der Identität, die wir hier gewonnen haben. Und angesichts dessen, was wir anrichten, kann man da nur skeptisch sein und warnen“ (Klaus Berger).
In unserer Regel wird von der Äbtissin verlangt:
∙ Stellvertreterin Christi sein
∙ nur lehren und tun, was der Heiligen Schrift entspricht
∙ mehr durch Beispiel als durch Reden wirken
∙ keine wegen ihres Ansehens bevorzugen
∙ alle gleich lieben
∙ nicht einfach über Fehler hinwegsehen
∙ sich nicht größere Sorge machen um vergängliche, irdische und hinfällige Dinge.
∙ zuerst das Reich Gottes suchen
∙ wissen, dass man beim Gericht nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle Mitschwestern dem Herrn Rechenschaft ablegen muss.
Gestern sprachen wir in der Gemeinschaft über diese Liste und waren uns einig, dass all das von jeder Mitschwester gefordert ist, ja letztlich von jedem Christen. Etwas zeitgemäßer ausgedrückt:
∙ so leben, dass deutlich wird, was Christsein bedeutet
∙ das ganze Leben von der Heiligen Schrift prägen lassen
∙ ein Vorbild für andere sein
∙ alle Menschen sie unterstützen, wenn sie es brauchen
∙ nicht einfach über Fehler hinwegsehen, sondern füreinander beten
∙ in Gottvertrauen sich keine zu großen Sorgen machen um die Dinge des Alltags
∙ zuerst das Reich Gottes suchen
∙ wissen, dass man am Tag des Gerichtes nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Mitmenschen Rechenschaft ablegen muss.
Manchmal frage ich mich, ob wir Gott nicht mit unserer Verkündigung in unzulässiger Weise vereinnahmen. Natürlich fällt mir das vor allem bei anderen auf, aber vermutlich tue ich oft dasselbe. Unsere Kirche ist ganz und gar von dem Wort geprägt, dass das Evangelium keine Drohbotschaft, sondern eine Frohbotschaft ist (ich kann es schon fast nicht mehr hören) und viele Seelsorger versuchen, diese Frohbotschaft mit Gesten und Worten, die die Liebe, Güte und Treue Gottes betonen, zu verkünden. Dabei entsteht leicht, der Eindruck, dass sie selbst, die Gläubigen, die sie ansprechen und die Kirche überhaupt eindeutig auf der Seite Gottes stehen und genau wissen, was er will, nämlich Frieden, Glück für alle Menschen, Versöhnung oder sogar ganz konkret „dass die Mächtigen dieser Welt umkehren und wirklich für das Wohl der Menschen eintreten“.
Es ist richtig, dass Gott das Heil aller Menschen will und dass wir in Christus den Vater um alles bitten dürfen. Aber wir sind nicht nur in Christus, sondern leider auch oft weit weg von ihm, und dass die Welt ist, wie sie ist, ist Folge unserer Sünde. Wir stehen nicht nur auf der Seite Christi, sondern leider auch auf der Seite derer, die die Welt zerstören und müssen Gott um Vergebung bitten, darum dass er uns nicht ganz und gar den Folgen unserer Schuld überlässt. Ja, Gott will das Heil aller Menschen, aber dieses Heil besteht darin, dass Jesus uns einen Weg durch den Tod hindurch eröffnet hat. Er hat uns weder ein ruhiges und friedliches Leben versprochen, noch dass wir nicht gewaltsam sterben.
Im Kloster ist es üblich für sterben das Wort „heimgehen“ zu verwenden, so beten wir „für XY, der heimgegangen ist“. Gewiss Paulus sagt: „Unsere Heimat ist im Himmel“, aber nicht damit habe ich Probleme, sondern mit dem Begriff „gehen“. Gehen wir wirklich in den Himmel, ist der Himmel ein Ort, an den zu gehen uns möglich ist? Ist der Tod nicht das Ende aller Aktivität, der Zeitpunkt, an dem wir endlich zulassen müssen, dass nicht wir bestimmen, sondern dass über uns bestimmt wird?
„Das Ohr des Zuhörers ist die Sehnsucht des Weisen“ (Sir 3,29).
Ist es nicht unser aller Sehnsucht, dass jemand zuhört, dass jemand sich für das interessiert, was uns wichtig ist, für das, was wir erkannt haben? Nur selten wird diese Sehnsucht erfüllt, vielleicht seltener als je zuvor, weil alle reden- sei es auch nur innerlich - aber kaum einer wirklich zuhört. Man muss sich schon bewusst entschließen, diese Sehnsucht der anderen zu erfüllen.
Gelesen: Josef Pieper / Hans Urs von Balthasar, Briefwechsel 1934 - 1988 (Freiburg) Johannes Verlag Einsiedeln 2025.
Besonders die Jahre 1967-1980 fand ich sehr interessant, allerdings auch seltsam ambivalent. Wenn man liest, wie diese beiden Männer den Zustand der Universitätstheologie beurteilen und was sie über das fast völlige Schweigen der Bischöfe sagen, die Männer wie Küng, Rahner und Metz nichts entgegenzusetzen wussten oder es nicht wollten, fühlt man sich in die Gegenwart versetzt. Das kann traurig machen („es ist kein bisschen besser geworden“) oder auch zuversichtlich („Gott wird seine Kirche auch jetzt nicht verlassen“). Denn wenn es schon vor 50 Jahren so aussah, als würde die Kirche in Deutschland untergehen und sie trotz allem lebt und gläubige junge Menschen hervorbringt, können wir da nicht vertrauen? Wir sind weniger geworden? Ja, das stimmt, aber niemand hat uns versprochen, dass die Gemeinschaft derer, die Jesus Christus nachfolgen, immer groß und erfolgreich sein wird.