Blog von Schwester Christiana
Ein Gedanke aus der heutigen Predigt: Der barmherzige Samariter sagt zu dem Wirt, bei dem er den am Weg liegenden Verwundeten unterbringt: „Wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme“ (Lk 10,35).
Es ist noch keine echte Nächstenliebe, hier und dort etwas zu spenden, hier und dort freundlich zu sein, hier und dort für einen anderen zu beten. Entscheidend ist das Wiederkommen, das zeigt, dass ich den anderen wirklich in mein Herz aufgenommen habe, dass er in seiner Not nicht vergessen ist und dass ich sogar bereit bin, mehr zu tun, wenn er weiter in Not ist. Wie viele Menschen erleben bei einer schweren Erkrankung, dass zunächst alle betroffen sind und helfen wollen, aber wenn die Krankheit chronisch wird, fehlt oft das Wiederkommen. Dasselbe bei Naturkatastrophen: Große Hilfsbereitschaft in den ersten drei Tagen, aber dann schnell Vergessen.
Gelesen: Clemens Sedmak, Wenn das Unvorstellbare geschieht. Durchbrochenes Denken und theologische Vorstellungskraft.
Es geht in diesem Buch darum, wie man Brüche im eigenen Leben mit der Gottesfrage verbinden kann. Kein Lebenshilfebuch, eher eine philosophische Reflexion.
Beim Lesen zunächst der Gedanke des eigenen Verschont-Sein, in meinem Leben gab es keine so furchtbaren Brüche, wie der Autor sie beschreibt. Das gibt mir Kraft, die ich versuche für andere einzusetzen. Aber stimmt das, gibt es wirklich keine Brüche in meinem Leben? In gewisser Weise war der Klostereintritt ein solcher Bruch, die Berufung war für mich kein seit meiner Kindheit langsam entwickelter Wunsch, sondern traf mich völlig unvorbereitet und zerbrach all meine Pläne, leider auch die meisten Beziehungen. Im Unterschied zum Suizid eines Angehörigen, zu plötzlichen Unfällen von lieben Menschen oder zu finalen Krebserkrankungen blieb mir die Freiheit Ja oder Nein zu sagen (stimmt das wirklich? letztlich wusste ich, dass es nur den Gehorsam gab..), aber trotzdem war der Klostereintritt der Bruch mit meiner Familie und meinem ganzen Umfeld, ein Bruch der nie geheilt ist. Es gibt bleibend Schuldgefühle und Verletzungen.
Gelesen: Günther Saltin, Gesang im Feuerofen (Würzburg 2014).
Es geht um die Bibellektüre der 1944/45 in der Haftanstalt Berlin-Tegel gefangenen und schließlich hingerichteten Christen wie Helmuth Graf von Moltke und Alfred Delp. Ein sehr geistliches Buch, das jedem Christen gleich welcher Konfession neu die eigentlich gemeinte und geforderte Radikalität des Glaubens vor Augen führt. Dazu ein kurzes Zitat aus der Ethik Bonhoeffers: „Eins ist aber klar, dass wir Christus nur verstehen, wenn wir uns zu ihm in einem schroffen entweder - oder entscheiden. Zur Verzierung und Verschönerung unseres Lebens ist er nicht ans Kreuz gegangen.“
Aus dem Buch, in das unsere Gäste ihre Fürbitten eintragen können:
„Bewahre uns Menschen davor, die Sprache der Aufrüstung und des Krieges als Normalität des Alltags zu sehen. Lass uns uns niemals daran gewöhnen, dass die Mächtigen den Verstand verlieren. Gib uns Frieden, Herr!“
Bei der Teilnahme an einer Familienmesse in Österreich sang ein Kinderchor. Die Lieder fand ich etwas seicht, rosarote Liebeslieder gerichtet an Gott, ich fürchte, unser Glaube ist nicht nur intellektuell schwieriger, sondern auch existentiell anspruchsvoller. Dennoch war ich sehr berührt, denn wenn ich an meine Kindheit und Jugend denke: Ich habe viel über den Glauben gelernt, wofür ich dankbar bin, aber niemand hat mir beigebracht, Gott zu lieben und diese Liebe auch kindgerecht auszudrücken.
Auf der Rückfahrt von einer Reise ein Blick auf die Skyline von Frankfurt. So große Städte erscheinen mir wie ein Moloch, der seine Bewohner verschlingt. Andererseits kenne ich Menschen, die das pulsierende Leben und die vielen Möglichkeiten, die eine Stadt bietet, schätzen. Ich selbst brauche nicht so viel Neues, ich habe im Gegenteil oft das Gefühl, dass ich das Gegebene zu wenig durchdenke, zu schnell zum Nächsten übergehe (übergehen muss) und zu wenig kontemplativ lebe. In einer Stadt wie Frankfurt wäre ein geistliches Leben noch schwieriger, ich bewundere Menschen, denen es gelingt, dort konzentriert zu leben und sich nicht ablenken zu lassen.