Blog von Äbtissin Christiana Reemts

Gott ist Gott, ich bin es nicht. Endlich aufhören, an allem drehen zu wollen. Wir können die Welt nicht erlösen.
Das gilt auch für die Vergangenheit. Es gibt Schuld, ja, und die müssen wir erkennen und bekennen. Doch jenseits von Schuld ist der Gedanke, wenn ich dies oder das damals so oder so gemacht hätte, wären wir jetzt vielleicht in einer besseren Situation, abzuweisen. Ich war auch damals nicht Gott!
 
Man kann das Eheversprechen oder die Profess nur leben, wenn man bereit ist, die eigene Entwicklung sich nie mehr unabhängig von diesem Versprechen vollziehen zu lassen. Eine Ehe, in der die Partner „ihr eigenes Leben“ führen, wird zerbrechen. Eine Ordensberufung, in der ein Mönch oder eine Nonne neben dem gemeinsamen Leben „ihr eigenes“ führt, wird zerbrechen.
Ich weiß, was man gegen diese Sätze einwenden kann, aber in der Tiefe stimmen sie, auch wenn man natürlich eigene Freunde und eigene Interessen haben darf und soll.
Christus kann nur alles sein.
Er nimmt mich ganz.
Er gibt sich mir ganz.
Ich habe alles.
 
Ein Text aus der Väterzeit (7. Jh. n. Chr.) zu meinem vorigen Blogartikel:
„Nach der Auferstehung legte Christus alle Leiden: Vergänglichkeit, Hunger und Durst, Schlaf und Ermüdung und dergleichen ab. Zwar kostete er auch nach der Auferstehung Speise (vgl. Lk 24,43), aber nicht kraft eines Naturgesetzes - er hatte ja keinen Hunger -, sondern er wollte beglaubigen, dass seine Auferstehung Wirklichkeit ist... Keinen von den Bestandteilen der Natur, nicht den Leib, nicht die Seele, hat er abgelegt, nein, er besitzt sowohl den Leib als die vernünftige und denkende, wollende und wirkende Seele. Und so sitzt er zur Rechten des Vaters und will und wirkt auf zugleich göttliche und menschliche Weise unser Heil. Auf göttliche, sofern er für alles sorgt, es erhält und regiert; auf menschliche, sofern er sich seines Erdenlebens erinnert und sieht und weiß, dass er von der ganzen vernünftigen Schöpfung angebetet wird...
Wir sagen: Christus sitzt körperlich zur Rechten Gottes, des Vaters, allein wir lehren keine räumliche Rechte des Vaters. Denn wie sollte der Unumschriebene eine räumliche Rechte haben?  ... Nein, unter der Rechten des Vaters verstehen wir die Herrlichkeit und die Ehre der Gottheit, in welcher der Sohn Gottes als Gott und wesensgleich mit dem Vater von Ewigkeit existiert und in der er nun, nachdem er in den letzten Zeiten Fleisch geworden, auch körperlich sitzt, da sein Fleisch mitverherrlicht wurde. Denn er wird mit seinem Fleisch in einer Anbetung von der ganzen Schöpfung angebetet“ (Johannes von Damaskus, Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens 4,1f).
 
Jesus Christus war Gott und Mensch zugleich. Dieser Satz ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig, denn das Wort „war“ scheint zu sagen: „Er war es... damals in Palästina, als er auf unserer Erde lebte, aber jetzt ist er es nicht mehr.“ Und genau das stimmt nicht: Jesus ist Gott und Mensch zugleich. Er hat unser Menschsein bei der Auferstehung mit in den Himmel genommen und zur Rechten des Vaters gesetzt. Das ist schwer zu denken, viel leichter wäre es anzunehmen, er hätte das Menschsein zurückgelassen und wäre nur noch Gott wie vorher. Aber leicht zu verstehen und plausibel waren in der Kirchengeschichte immer die Häresien, das Wirken Gottes ist größer als das, was wir für vernünftig halten.
 
Die Auferstehung Jesu Christi ist ein Mysterium, in das hineinzuwachsen man Jahrzehnte braucht. Daher kann ich Menschen gut verstehen, die zum Osterglauben nur spöttisch sagen: „Ziemlich unwahrscheinlich.“ Das finde ich auch, das fanden auch die Apostel, das findet eigentlich jeder Mensch, der schon einmal einen Toten gesehen hat. Und die Botschaft von der Auferstehung ist als isolierter Satz auch gar nicht zu verstehen oder höchstens als ein sonderbares Wunder, das den Verdacht auf Scheintod nahelegt.
Die Botschaft von der Auferstehung setzt die ganze Bibel voraus, die gesamte Geschichte Gottes mit dem Menschen, das Evangelium, die Erfahrung der Kirche und last not least die eigene Glaubenserfahrung. Wer nicht bereit ist mitzugehen und d.h. sich verwandeln zu lassen, wird die Auferstehung nicht begreifen und im Grunde noch nicht mal wünschen können, denn es geht nicht in erster Linie um ein Weiterleben nach dem Tod, sondern um eine Beziehung, es geht darum dort zu sein, wo Christus ist („ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“ Joh 14,2) und am Leben des dreifaltigen Gottes teilzuhaben.
Große Worte, aber wie gesagt, man braucht Jahrzehnte, auch nur etwas davon zu verstehen, und ich glaube nicht, dass ich schon wirklich weiß, was Auferstehung bedeutet.