Blog von Schwester Christiana
Wir Christen glauben, dass alles, aber auch wirklich alles, Geschenk ist. Das gilt schon innerhalb der göttlichen Dreifaltigkeit, denn Gott ist in sich Gabe, Hingabe, Geschenk. Der Vater ist Vater in der ewigen Hingabe an den Sohn, sein ganzer Reichtum besteht darin, alles an den Sohn wegzugeben: „Dem Sohn ist alles vom Vater übergeben“. Der Sohn wiederum gibt dem Vater alles Empfangene im Gehorsam zurück und der Heilige Geist ist das Geschenk beider in Person.
Wir Menschen sollen in diese Hingabe eintreten, und solange wir das verweigern, bleibt die Welt von Selbstsucht und Hass geprägt. Verheißen ist uns aber, dass im ewigen Leben alles nur noch Hingabe sein wird. C.S.Lewis schreibt, dass jeder dort auf ewig damit beschäftigt sein wird, an alle anderen zu verschenken, was er selbst empfangen hat. In dieser Selbsthingabe rühren wir an den Rhythmus des Seins: „Von der höchsten Stufe bis zur untersten gilt: das Selbst ist dazu da, hingegeben zu werden, und durch diese Hingabe wird es nur desto mehr es selbst, um daraufhin wieder um so mehr sich hinzugeben – und so fort... Was außerhalb dieses „Systems“ der Selbsthingabe liegt, das ist weder die Erde noch die Natur noch das durchschnittliche Leben – sondern einzig und allein die Hölle“. Lewis vergleicht unser Leben mit einem Ballspiel, das gestört ist, weil wir den Ball behalten statt ihn weiterzuwerfen. Leben wie Gott es sich für uns vorgestellt hat, besteht darin, den Ball weiterzuwerfen, so dass er zwischen uns allen hin und her fliegt. Und wenn dann Gott selbst das Spiel anführt, „indem er in der Erschaffung sich selbst seinen Geschöpfen schenkt und wiederum an sich selbst zurückgibt in der Opferung des Logos – dann lässt in der Tat der ewige Tanz 'den Himmel versinken in den Entzückungstraum des Einklangs'. Alle Schmerzen und alle Freuden, die wir auf Erden kannten, sind frühe Einübungen in die Schrittweisen dieses Tanzes“ (aus: C.S. Lewis, Über den Schmerz).
Heute beenden wir sehr zur Erleichterung der meisten Schwestern unsere wochenlange Tischlesung von A. Kappeler, Kleine Geschichte der Ukraine. Das Buch war auch schon sehr bedrückend, solange es nur um Geschichte ging, aber die letzten Kapitel beschrieben die Gegenwart, das war fast unerträglich.
Heute erfuhren wir, dass der Enkel (22) einer ukrainischen Frau, die wir gut kennen, eingezogen wurde. Werden wir auch noch hören müssen, dass er fiel oder schwer verwundet wurde? Wie sinnlos ist dieser Krieg doch!
In der Bibel und in der monastischen Tradition wird Murren als eine der schlimmsten Sünden angesehen. Der Begriff ist veraltet, so sehr, dass man kaum noch versteht, was mit ihm gemeint ist, die Sache ist allerdings aktuell. Murren entsteht aus der Nicht-Akzeptanz einer gegebenen Situation bei gleichzeitiger Verweigerung sich selbst einzusetzen.
Tatsächlich ist das Leben oft schwierig und mühsam, insofern gibt es auch immer einen Grund, sich unzufrieden zu verweigern. Eine solche Haltung nimmt in Gesellschaft und in Kirche immer mehr zu: Erst wenn die anderen, d.h. die Politiker, die in Rom oder wer auch immer, endlich getan haben, was ich für nötig halte, mache ich wieder mit...
Die Alternative wäre in Dankbarkeit zu leben und die Aufgaben, die das Leben uns stellt, mit Freude als Geschenk anzunehmen. Menschen, die das versuchen, sind sehr viel glücklicher.
„Der Himmel ist das Bleiben in der Identität, die wir hier gewonnen haben. Und angesichts dessen, was wir anrichten, kann man da nur skeptisch sein und warnen“ (Klaus Berger).
In unserer Regel wird von der Äbtissin verlangt:
∙ Stellvertreterin Christi sein
∙ nur lehren und tun, was der Heiligen Schrift entspricht
∙ mehr durch Beispiel als durch Reden wirken
∙ keine wegen ihres Ansehens bevorzugen
∙ alle gleich lieben
∙ nicht einfach über Fehler hinwegsehen
∙ sich nicht größere Sorge machen um vergängliche, irdische und hinfällige Dinge.
∙ zuerst das Reich Gottes suchen
∙ wissen, dass man beim Gericht nicht nur für sich selbst, sondern auch für alle Mitschwestern dem Herrn Rechenschaft ablegen muss.
Gestern sprachen wir in der Gemeinschaft über diese Liste und waren uns einig, dass all das von jeder Mitschwester gefordert ist, ja letztlich von jedem Christen. Etwas zeitgemäßer ausgedrückt:
∙ so leben, dass deutlich wird, was Christsein bedeutet
∙ das ganze Leben von der Heiligen Schrift prägen lassen
∙ ein Vorbild für andere sein
∙ alle Menschen sie unterstützen, wenn sie es brauchen
∙ nicht einfach über Fehler hinwegsehen, sondern füreinander beten
∙ in Gottvertrauen sich keine zu großen Sorgen machen um die Dinge des Alltags
∙ zuerst das Reich Gottes suchen
∙ wissen, dass man am Tag des Gerichtes nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Mitmenschen Rechenschaft ablegen muss.
Manchmal frage ich mich, ob wir Gott nicht mit unserer Verkündigung in unzulässiger Weise vereinnahmen. Natürlich fällt mir das vor allem bei anderen auf, aber vermutlich tue ich oft dasselbe. Unsere Kirche ist ganz und gar von dem Wort geprägt, dass das Evangelium keine Drohbotschaft, sondern eine Frohbotschaft ist (ich kann es schon fast nicht mehr hören) und viele Seelsorger versuchen, diese Frohbotschaft mit Gesten und Worten, die die Liebe, Güte und Treue Gottes betonen, zu verkünden. Dabei entsteht leicht, der Eindruck, dass sie selbst, die Gläubigen, die sie ansprechen und die Kirche überhaupt eindeutig auf der Seite Gottes stehen und genau wissen, was er will, nämlich Frieden, Glück für alle Menschen, Versöhnung oder sogar ganz konkret „dass die Mächtigen dieser Welt umkehren und wirklich für das Wohl der Menschen eintreten“.
Es ist richtig, dass Gott das Heil aller Menschen will und dass wir in Christus den Vater um alles bitten dürfen. Aber wir sind nicht nur in Christus, sondern leider auch oft weit weg von ihm, und dass die Welt ist, wie sie ist, ist Folge unserer Sünde. Wir stehen nicht nur auf der Seite Christi, sondern leider auch auf der Seite derer, die die Welt zerstören und müssen Gott um Vergebung bitten, darum dass er uns nicht ganz und gar den Folgen unserer Schuld überlässt. Ja, Gott will das Heil aller Menschen, aber dieses Heil besteht darin, dass Jesus uns einen Weg durch den Tod hindurch eröffnet hat. Er hat uns weder ein ruhiges und friedliches Leben versprochen, noch dass wir nicht gewaltsam sterben.