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Blog von Schwester Christiana

22. August 2024

„Der Name ist einer, den niemand weiß,  außer dem, der ihn empfängt (Off 2,17). Nun hat jeder Mensch nicht nur eine persönliche Beziehung zu Gott, jeder hat eine völlig einmalige Beziehung zu ihm. Er ist für Gott ein besonderes Geschöpf, nach seiner Eigenart geschaffen, wie keines sonst. Folglich kann er Gott auf eine Weise dienen, wie es sonst niemand tun kann“ (G.MacDonald).

20. August 2024

Im Moment arbeite ich an Ps 100 (Ps 99),3 in der Deutung der Kirchenväter: „Erkennt: Der Herr ist Gott; er hat uns gemacht und nicht wir uns selbst“, eine Übersetzung, die nach der Einheitsübersetzung von 2016 durchaus dem hebräischen Text entspricht.
Mir scheint dieser Vers gerade für heute wichtig. Ich bin Geschöpf, d.h. ich verdanke Gott mein Leben, meinen Körper, mein Geschlecht, meine Intelligenz, alles, was ich bin und habe. Im Laufe meines Lebens muss ich lernen, mich selbst anzunehmen, was nicht einfach ist (vgl. das berühmte Buch von R. Guardini, Die Annahme seiner selbst). Auch Kinder, sagen die Kirchenväter, „machen“ wir nicht und - so würde ich hinzufügen - wenn wir es doch versuchen, versündigen wir uns an ihnen und an Gott. Nicht nur unsere Existenz, sondern auch alles, was uns im Leben möglich ist, ist Geschenk und nicht eigenes Verdienst. Wenn man heute von Selbstoptimierung spricht, würde das Augustinus als Pelagianismus ablehnen, als eine Form von latentem Atheismus. 

14. August 2024

Manchmal überraschen mich die Initiativen von Papst Franziskus, ja ich finde sie für einen Papst, von dem man eher „fromme“ Impulse erwartet, ziemlich originell. Zuletzt wieder sein Brief von 17.7.24: „Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung“. Würde man diesen Text ganz kurz zusammenfassen, so lautete die Botschaft: Christen, lest mehr Romane und Gedichte!
Franziskus definiert Literatur: „Die Stimme von jemandem hören“ und erklärt: „Durch die Lektüre eines literarischen Textes werden wir in die Lage versetzt, durch die Augen der anderen zu sehen und erlangen so einen Blickwinkel, der unsere Menschlichkeit weitet.“ Ich glaube tatsächlich, dass das etwas ist, was nur Literatur leisten kann und was uns durch die Medien verloren zu gehen droht.
Es lohnt sich diesen Brief zu lesen, Sie finden ihn hier.

09. August 2024

In der Nacht starb unsere Schwester Gertrudis. Zufällig stieß ich eben auf ein Gedicht von Silja Walter, das ich mir für meine eigene Todesanzeige vorstellen könnte, das aber, wie ich finde, zum Tod jedes Christen passt:

Vom frühen Morgen an
lief ich
durch alle Türen
auf einen armen
Juden 
zu
und fiel
als die Nacht kam
in die Sonne

    Silja Walter

08. August 2024

Heute haben wir „Einkehrtag“, d.h. einen stillen Tag, der arbeitsfrei ist und an dem wir frei sind für Gebet und Lesung, aber auch für meditative Wanderungen oder Radtouren. „Einkehren“ ist ein altertümlicher Begriff, der „sich auf sich selbst besinnen“ bedeutet, aber auch: „unterwegs in eine Gaststätte gehen“. 
„Kehren“ weist darauf hin, dass man etwas oder auch sich selbst umdreht, und kommt vor in Wörtern wie „kehrtmachen“, „Kehrreim“, „Kehrseite“, „Umkehr“. „Einkehren“ hat dazu noch die Vorsilbe „ein“, es geht um das sich abkehren von dem Weg, auf dem man gerade ist, um in etwas (eine Gaststätte) oder auch in sich selbst hineinzugehen. In der Lebensbeschreibung des heiligen Benedikt, die Papst Gregor der Große verfasst hat, finden wir den Ausdruck „habitare secum“ – „bei sich wohnen“, der diese „Einkehr“ zur Voraussetzung hat. Gregor berichtet, wie Benedikt, nach einer kurzen Zeit als Abt eines schwierigen Klosters, dieses Kloster wieder verlässt und in die Einsamkeit geht. Gregor schreibt dazu: „Dann kehrte er an die Stätte seiner geliebten Einsamkeit zurück. Allein, unter den Augen Gottes, der aus der Höhe herniederschaut, wohnte er bei sich selbst“. Gregor erklärt im Fortgang seiner Dialoge, dass ein Mensch, der sich ständig im Äußeren aufhält, den inneren Kontakt mit sich selbst, den Mitmenschen und Gott verliert. „Sooft wir nämlich durch die Unruhe der Gedanken zu sehr aus uns herausgeführt werden, sind wir zwar noch wir selbst, aber nicht mehr bei uns selbst; denn wir verlieren uns selbst aus dem Blick und schweifen anderswo umher“. Wir verlieren die innere Verbindung mit uns selbst und damit zugleich auch die Verbindung mit Gott.
Der Ausdruck „in sich“ bzw. „zu sich gehen“ kommt in zwei biblischen Texten vor, die Papst Gregor zitiert (Lk 15,16f; Apg 12,11). Er macht darauf aufmerksam, dass das Bei–sich–Wohnen ein mittlerer Zustand ist, in dem wir versuchen müssen, nicht zu dem hin abzustürzen, was der heilige Benedikt „Treiben der Welt“ nennt. Den Aufstieg zu Gott dagegen können wir nicht „machen“, er ist Gnade, bei der Gott allein entscheidet, wem und wann sie geschenkt wird. Wir können diese Begegnung mit Gott durch keine Mystik und keine Askese erzeugen, das einzige, was wir tun können, ist bereit zu sein wie ein Türhüter, der auf das Kommen des Herrn wartet (vgl. Mk 13,34). Dazu dient ein Einkehrtag.

06. August 2024

Bei den Nachrichten stolpere ich in letzter Zeit öfter über das Wort „warnen“, das immer häufiger gebraucht wird, um zu sagen, dass jemand gegen etwas ist oder eine Sache gefährlich findet. Dabei kommt der Ausdruck meistens gar nicht bei denen vor, die zitiert werden, sondern wird von Journalisten verwendet, um Äußerungen zusammenzufassen:
•    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnt vor einer deutlichen Preiserhöhung beim Deutschlandticket. 
•    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnt vor einem Flächenbrand im Nahen Osten.
•    Der Papst warnt vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz.
„Warnen“ heißt, jemanden auf eine Gefahr für ihn hinweisen und ihm dadurch raten, sich vorzusehen. Oder es kann bedeuten, jemanden drohen,  um ihn daran zu hindern, etwas Bestimmtes zu tun („ich warne dich!“). Was mich irritiert, ist, dass es oft niemanden gibt, der gewarnt wird bzw. dass dieser Jemand sehr abstrakt bleibt. Auch, was man tun soll, um der Gefahr zu entgehen, bleibt im Dunkeln. So entsteht durch diesen häufigen Gebrauch von „warnen“, ein diffuses Klima der Bedrohung, das meines Erachtens unserer Gesellschaft nicht gut tut.