Blog von Schwester Christiana
Montag der Karwoche
Wenn man den christlichen Glauben für eine spirituelle Zutat zu einem ansonsten „normalen“ Leben hält, kann man Handlungen wie die von Maria, die unendlich teures Öl über Jesus ausgießt, nur für unvernünftig halten. Genauso wenig kann man den Bau von Kathedralen in armen Ländern befürworten oder ein Leben im Kloster. „Man hätte das Geld besser den Armen gegeben...“ - „Wäre es nicht richtig, die kostbaren vatikanischen Schätze zu verkaufen?“ - „Könnten die Nonnen nicht etwas Sinnvolleres tun, als so viel beten?“
Ja, wir müssen uns für die Armen einsetzen, das tun wir nie genug, gerade in unserer Zeit, und trotzdem werden wir sie immer vor unserer Tür liegen haben. Doch neben der vernünftigen Abwägung, was nach unserem Dafürhalten den größten Nutzen bringt, gibt es auch Liebe, die verschwendet. Und es gibt besondere Augenblicke, die man ergreifen muss, ohne nach rechts und links zu schauen: „Jetzt bin ich bei euch.“
Palmsonntag
„Christus kommt, um freiwillig den Weg nach Jerusalem anzutreten. Gehen wir mit ihm, der zum Leiden geht, und ahmen wir die nach, die ihm entgegen ziehen! Doch wollen wir ihm nicht Palmzweige und Kleider auf den Weg streuen, sondern wir wollen uns selbst ihm zu Füßen werfen. Wir wollen ihn, das Wort Gottes, bei seinem Kommen aufnehmen, und Gott, den kein Raum zu fassen vermag, soll in unserem Herzen einen Ort finden. Er ist in unsere Niedrigkeit herabgestiegen, um zu uns zu kommen, um mit uns zu leben und um uns durch diese Verbindung zu sich zurückzuführen. Wir wollen heute und jeden Tag zusammen mit den Kindern in den heiligen Ruf einstimmen: „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ (Auszüge aus einer Predigt des heiligen Andreas von Kreta).
Wir feiern in den nächsten Tagen die Liebe Gottes, dessen Allmacht nicht im Durchsetzen seines Willens, in Unterdrückung und Zwang besteht, sondern darin, uns Raum zu geben und Freiheit zu ermöglichen Wenn ich wirklich liebe, lasse ich dem Anderen „Spielräume“ und will, dass er in jeder Beziehung an Weite gewinnt. Liebe kann sich in ganz kleinen Gesten zeigen, wie jemandem den Vortritt lassen beim Betreten eines Raumes oder darauf zu verzichten, ihm Ratschläge zu geben. Unter Gottes Liebe leide ich gerade zur Zeit manchmal sehr und wünsche, er würde die menschliche Freiheit, Böses zu tun, beschränken. Doch ich vertraue: Er ist Gott und weiß, was er tut.
Jesus fragte seine Jünger einmal: „Worüber habt ihr gesprochen?“ (Mk 9,33). Sie konnten auf diese Frage hin nur schweigen, denn zuzugeben, was für belangloses Zeug sie gesprochen haben, wäre zu peinlich gewesen. Wenn Jesus uns diese Frage stellte, müssten wir nicht auch meistens schweigen, weil das, was wir reden - sei es innerlich oder mit anderen - nicht wirklich lohnend ist.
Er stellt uns diese Frage, immer wieder...
Noch ein Buch, das ich sehr interessant fand, diesmal kein theologisches: Aurelia Hölzer, Polarschimmer. Eine Welt aus Licht und Eis - 54 Wochen in der Antarktis.
Beschrieben wird eine Antarktisüberwinterung 2022/23, an der neun Forscher im Auftrag des Alfred-Wegener-Instituts, Bremerhaven teilnahmen. Was mich daran faszinierte? Die Autorin beschreibt ein intensives Naturerlebnis, das seine Intensität nicht zuletzt der Abwesenheit anderer Reize verdankte. Ist Kontemplation nicht immer auf Reduktion angewiesen? Und sie war verantwortlich für eine Gruppe von Menschen, die acht Monate lang, den ganzen Polarwinter hindurch, ganz auf sich angewiesen war und keine Möglichkeit des Ausweichens hatte. Auch wenn die Situation eine völlig andere ist - ich fand viele Parallelen zu einer klösterlichen Gemeinschaft wie der unsrigen.
Wohin ich auch schaue: In meinem eigenen Leben, in unserer Gemeinschaft, in der Kirche, in der Kultur, in der Wirtschaft, in der Politik... glaubhaft ist nur die Liebe. Allem anderen wird man schon sehr bald den Namen geben: „Getöse, das die Zeit verpasste“ (Jer 46,17).