Wahltag
Heute vor zwanzig Jahren wurde ich zur Äbtissin gewählt. In der Gemeinschaft feiern wir erst im Juli meinen Weihetag, aber für mich ist heute ein Tag, an dem ich danke und zurückschaue. Ich bin dankbar, dass ich dieses Amt so lange ausüben konnte, dass ich die körperliche und geistige Kraft dazu hatte und dass es keine ganz schlimmen Katastrophen gab. Am bittersten war und ist der Verlust von Menschen: Eine Schwester, die mit 50 starb, eine andere, die austrat, eine dritte, die in ein anderes Kloster übertrat und jetzt noch einigen Jahren dort unseren Orden endgültig verlässt, auch zwei MitarbeiterInnen, von denen wir uns trennen mussten. Sie alle sind Menschen, deren Verlust schmerzt. Aber dennoch kann ich heute mit Paulus aus ganzem Herzen sagen: „Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat: Christus Jesus, unserem Herrn. Er hat mich für treu gehalten und in seinen Dienst genommen, obwohl ich früher ein Lästerer, Verfolger und Frevler war. Aber ich habe Erbarmen gefunden, denn ich wusste in meinem Unglauben nicht, was ich tat. Doch über alle Maßen groß war die Gnade unseres Herrn, die mir in Christus Jesus den Glauben und die Liebe schenkte“ (1Tim 1,12-14). Und wenn man mich fragt, was mir im Alltag Kraft gibt und mich mit Freude erfüllt, dann kann ich nur an meine Schwestern gerichtet sagen: „Wie kann ich Gott euretwegen genug danken für all die Freude, die mich um euretwillen vor unserem Gott erfüllt?“ (1Thess 3,9).