Einkehrtag
Heute haben wir „Einkehrtag“, d.h. einen stillen Tag, der arbeitsfrei ist und an dem wir frei sind für Gebet und Lesung, aber auch für meditative Wanderungen oder Radtouren. „Einkehren“ ist ein altertümlicher Begriff, der „sich auf sich selbst besinnen“ bedeutet, aber auch: „unterwegs in eine Gaststätte gehen“.
„Kehren“ weist darauf hin, dass man etwas oder auch sich selbst umdreht, und kommt vor in Wörtern wie „kehrtmachen“, „Kehrreim“, „Kehrseite“, „Umkehr“. „Einkehren“ hat dazu noch die Vorsilbe „ein“, es geht um das sich abkehren von dem Weg, auf dem man gerade ist, um in etwas (eine Gaststätte) oder auch in sich selbst hineinzugehen. In der Lebensbeschreibung des heiligen Benedikt, die Papst Gregor der Große verfasst hat, finden wir den Ausdruck „habitare secum“ – „bei sich wohnen“, der diese „Einkehr“ zur Voraussetzung hat. Gregor berichtet, wie Benedikt, nach einer kurzen Zeit als Abt eines schwierigen Klosters, dieses Kloster wieder verlässt und in die Einsamkeit geht. Gregor schreibt dazu: „Dann kehrte er an die Stätte seiner geliebten Einsamkeit zurück. Allein, unter den Augen Gottes, der aus der Höhe herniederschaut, wohnte er bei sich selbst“. Gregor erklärt im Fortgang seiner Dialoge, dass ein Mensch, der sich ständig im Äußeren aufhält, den inneren Kontakt mit sich selbst, den Mitmenschen und Gott verliert. „Sooft wir nämlich durch die Unruhe der Gedanken zu sehr aus uns herausgeführt werden, sind wir zwar noch wir selbst, aber nicht mehr bei uns selbst; denn wir verlieren uns selbst aus dem Blick und schweifen anderswo umher“. Wir verlieren die innere Verbindung mit uns selbst und damit zugleich auch die Verbindung mit Gott.
Der Ausdruck „in sich“ bzw. „zu sich gehen“ kommt in zwei biblischen Texten vor, die Papst Gregor zitiert (Lk 15,16f; Apg 12,11). Er macht darauf aufmerksam, dass das Bei–sich–Wohnen ein mittlerer Zustand ist, in dem wir versuchen müssen, nicht zu dem hin abzustürzen, was der heilige Benedikt „Treiben der Welt“ nennt. Den Aufstieg zu Gott dagegen können wir nicht „machen“, er ist Gnade, bei der Gott allein entscheidet, wem und wann sie geschenkt wird. Wir können diese Begegnung mit Gott durch keine Mystik und keine Askese erzeugen, das einzige, was wir tun können, ist bereit zu sein wie ein Türhüter, der auf das Kommen des Herrn wartet (vgl. Mk 13,34). Dazu dient ein Einkehrtag.