Aktuelles

Tagebuch (55)
Ich kann vor Glaubenden von Gott reden, ich kann vor Atheisten von ihm reden, aber getaufte Gleichgültigkeit lässt mich stottern, unsicher werden, schließlich verstummen. Hinterher werfe ich mir meine Feigheit vor doch ich höre bei jedem Wort, das ich sage, die Langeweile meines Gegenübers: „Kennen wir alles seit Kindertagen...“, und dieses Alles-immer-schon-Wissen führt dazu, dass mir der Glaube blass erscheint. Nicht weil ich selbst nicht mehr glaube, sondern weil ich keinen Weg sehe, diese Herzen zu erreichen.
Vor einiger Zeit sprach ich mit einer Gruppe junger Frauen, die sehr weit weg vom Christentum waren. Ich versuchte zu provozieren: „In ihren Augen muss ich ja wohl in einer totaler Illusion leben.“ - „Nein, so sehen wir es nicht, wenn der Glaube ihnen gut tut, leben sie ihn ruhig.“ - „Ich glaube aber nicht, weil es mir gut tut, sondern weil ich überzeugt bin, dass der Glaube wahr ist.“ - „Wahrheit bedeutet uns nichts, wir wollen unsere Freiheit und ein schönes Leben.“ - „Aber wenn ihr am Ende eures Lebens erkennen müsstet, dass ihr euer Leben vertan habe, weil ihr die eigentliche Realität gar nicht wahrgenommen habt?“ - „Das ist uns egal, wenn das Leben angenehm war und uns Spaß gemacht hat, war es in Ordnung.“
 
Tagebuch (54)
Die vielen Möglichkeiten, die wir haben, setzen uns unter Druck und erzeugen Stress. Wir müssen ständig zwischen vielen Optionen wählen und das bedeutet, immer mehr zu verwerfen als anzunehmen - schon allein aus Zeitgründen. Es gibt Menschen, die das nicht können und ständig zwischen allem, was ihnen möglich ist, hin und her zappen. Aber auch wer wählt, weiß, dass er zugleich verwirft, und zwar nicht nur Wertloses, sondern auch Lohnendes und Wichtiges.
Im Moment höre ich oft, dass Corona von dem Vielerlei befreit, dass es - wenn die Sorgen nicht zu groß sind - auch erleichternd ist, bei reduzierten Wahlmöglichkeiten einfach das eigene Zuhause zu genießen.
 
Tagebuch (53)
Wat kütt, dat kütt! Kaum etwas langweilt mich so sehr, wie die breit analysierte, gewichtig vorgetragene Innenschau von Menschen, die genau wissen: „Wie es ihnen geht“, „was sie brauchen“, „wie sie sich fühlen“.
Wat kütt, dat kütt! Wir wissen nicht, was der nächste Tag bringen wird, sicher aber wird er wenig Rücksicht darauf nehmen, ob uns das, was kommt, angenehm ist. Die Welt ist Geschenk und Aufgabe, nehmen wir sie an!
Für Mariendonk heißt das in dieser Woche konkret, dass wir ausloten, was an Gästearbeit wieder möglich ist. Das ist mit viel Arbeit verbunden: Hygienekonzepte, eventuell Anfragen an das Ordnungsamt, Umorganisieren von Arbeit. Und immer gilt: Wat kütt, dat kütt! Steigende Infektionszahlen werden alles zunichte machen. Aber auch wenn sie weiter sinken: Den normalen Betrieb wird es nicht geben, eher Veranstaltungen im Garten oder in der Scheune.
 
 
Tagebuch (52)
Nach Jahrzehnten mit großem Vergnügen Manzoni, „Die Verlobten" wiedergelesen und dort Menschen gefunden, denen ich  auch in der Gegenwart immer wieder begegne. Einige Kostproben aus dem Buch:
„Mit den Gedanken hielt es Donna Praxedia, wie man es mit Freunden halten soll; sie hatte deren wenige, aber den weniger war sie sehr zugetan. Unter den wenigen gab es zum Unglück viele verdrehte und diese waren ihr gerade die liebsten.“
„Ihr ganzes Trachten ging dahin, den Willen des Himmels zu fördern, nur beging sie immer den Fehler, ihr Gehirn mit dem Himmel zu verwechseln.“
 
Tagebuch (51)
Gott ist König. Gott ist Macht und Liebe. Gott hat die Welt erschaffen...
Oder ist er nur ein menschlicher Gedanke, der Trost gibt, dem aber in der Realität nichts entspricht? Die Angst, der Glaube könnte nur eine Illusion sein, bleibt auch nach vielen Jahren im Kloster. Gott ist oft erschreckend stumm, er spricht weder in der Welt noch in meinem Inneren. Aber glauben, dass es Gott nicht gibt, ist noch viel unmöglicher. Denn was bedeutet „gibt“ in Bezug auf Gott? Es gibt ihn nicht, er ist.
Ich höre: „Für mich ist Gott...“; „für mich ist er...“ - Alles Projektionen, menschliche Bilder. Der wahre Gott zerbricht sie.
„Aber mir hilft dieses Bild.“ Dennoch muss es zerbrechen, es ist ein Surrogat, das nicht nährt, ein Placebo, das den Krebs nicht heilen kann. Die Wahrheit ist härter, sie ist harte Liebe.