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Veröffentlicht: 04. Juli 2023

Manchmal staune ich über das Wunder unserer Gemeinschaft. Ich bin seit 43 Jahren im Kloster und immer wieder frage ich mich voll Dankbarkeit, womit ich es eigentlich verdient habe, dass es 20 andere Menschen gibt, auf die ich mich bedingungslos verlassen kann. Ich finde das überhaupt nicht selbstverständlich, zumal ich weiß, dass viele andere Wohngemeinschaftsmodelle eine deutlich kürzere Lebensdauer haben.
Die Beziehung zu meinen Mitschwestern ist mit keiner anderen Beziehung zu vergleichen. Es fehlt die Vertrautheit, die man bei Geschwistern oder alten Schulfreunden empfindet und die selbst dann bleibt, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat, weil man verschiedene Wege geht. Es fehlt die Freiheit, die man bei Freunden hat und die darauf beruht, dass jeder sein eigenes Leben führt, man aber an dem des anderen teilhaben kannt. Trotzdem ist die Beziehung zu  meinen Mitschwestern nicht lose und oberflächlich wie zu Bekannten und Mitarbeitern, die wechseln können. Ich würde sie im Gegenteil tiefer als jede andere Bindung nennen, aber ihr „Bindemittel“ ist nicht Natur (wie bei Verwandten) und auch nicht freie Entscheidung und Sympathie (wie bei Freunden), sondern Christus selbst und so stehen sie mir am nächsten von allen Menschen.