Tagebuch (41)
Ich bin der Meinung, dass wir all denen, die in diesen Tagen Verantwortung tragen, mit großem Respekt begegnen sollten. Das gilt für unsere Politiker, für die Bistumsleitungen, für die Schul- und Universitätsleitungen und überhaupt für alle, die in der gegenwärtigen Situation Entscheidungen fällen müssen. Machen wir uns doch nichts vor, es geht in jeden Fall um 51:49- Entscheidungen. Was ich damit meine? Es geht um Entscheidungen, bei denen 51 % für etwas sprechen und 49 % dagegen, wobei man oft nicht weiß, wofür 51 % und wofür 49 % sprechen. Viele Entscheidungen werden sich hinterher als falsch herausstellen, aber nicht, weil jemand etwas Böses wollte, sondern schlicht und einfach, weil wir die Zukunft nicht kennen und trotzdem gehandelt werden muss. Dann zu sagen: „Ich habe ja gleich gesagt, man sollte...“, ist sehr billig, wenn man in der komfortablen Lage ist, nur kommentierender Zuschauer zu sein. Fair wäre es, Entscheidungen mitzutragen, schon jetzt damit zu rechnen, dass sie möglicherweise revidiert werden und bereit sein, dann auch die neue Entscheidung mitzutragen, ohne den, der die erste fällte, gleich der Unfähigkeit zu bezichtigen. Hier im Kloster erwarte ich das jedenfalls von meinen Mitschwestern, nicht nur in Coronazeiten. Nochmal: Wir kennen die Zukunft nicht, sondern müssen sie in Demut aus Gottes Hand empfangen.